„Judo“ bedeutet aus dem Japanischen übersetzt: der „sanfte Weg“. Sanft war mein Weg mit und durch das Judo nicht immer. Aber der sanfte Weg ist vielleicht auch nicht der beste, um das Beste aus sich herauszuholen.

Nachdem ich für Handball zu jung, für das Schwimmen nicht begeistert genug und für das Ballett nicht mädchenhaft genug war, fand ich mich mit 7 Jahren und meinen Turnschläppchen in der Aula der Kaufmännischen Schule in Tauberbischofsheim wieder. Ich hatte keine Ahnung, was mich dort erwartet, und wusste auch nicht, dass man Judo eigentlich barfuß ausübt. Aber ich spürte gleich, das ist es! Die Mischung aus Bewegung, Spiel, Ritualen, Kräftemessen und Kämpfen hat es mir angetan.

Nach zwei Jahren und der ersten Gürtelprüfung durfte ich endlich auf Wettkämpfe. Dann kam sie – die erste Niederlage und mit dieser Niederlage auch der Wunsch nach Verbesserung. Also trainierte ich härter und mehr. Es folgten viele Siege, aber auch erneute Niederlagen auf Badischen-, Süddeutschen-, Deutschen- und Europameisterschaften. Ebenso auch auf der Bundesligamatte des KSV Esslingen; Pforzheim und bis heute Karlsruhe kamen hinzu. Siege in einem Team zu erringen ist und bleibt etwas ganz Besonderes. Aber auch eine Niederlage lässt sich im Team leichter ertragen. Neben den Niederlagen waren auch die zahlreichen Verletzungen: Schulterluxation, Kreuzbandriss, angebrochenes Ellenbogenköpfchen, von den zahlreichen blauen Flecken, Zerrungen, Mattenbrand und sonstigen Wehwehchen ganz zu schweigen, manchmal schwer zu ertragen.

Judobundesliga

Mit 15 wurde ich in den erweiterten Nationalkader berufen. Ich wurde zu Trainingsmaßnahmen in Köln, Hannover und Frankreich eingeladen. Also bin ich mit Bus und Bahn und einer riesigen Reisetasche (ohne Rollen) – 3 Judoanzüge waren Pflicht – stundenlang unterwegs gewesen, um dann nach einem Wochenende oder einer Woche völlig zerstört wieder heim zu reisen und am nächsten Tag die Schulbank zu drücken. In Frankreich bin ich damals ohne Sprachkenntnisse und ohne einen einzigen Franc (damals gab‘s noch keinen Euro) gelandet. Und ja, ich habe es irgendwie geschafft, mich zur Sportschule durchzuschlagen.

Mit 16 bin ich auf ein Sportinternat. Das war ziemlich hart und hatte überhaupt nichts von den „Hanni und Nanni“-Büchern. Vom talentierten Judoka vom Lande in die Stadt zum „No Name“. Plötzlich waren da Konkurrenz und viele Sportler mit den gleichen Zielen. Es hat fast ein halbes Jahr gedauert, bis ich mich eingelebt hatte und mich behaupten konnte. Die Zeit hat mich sehr geprägt. Was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe, ist, dass man einfach an sich glauben muss, um seine Ziele zu erreichen.

Techniktraining in Tauberbischofsheim mit Olympiasieger Frank Wieneke

Während meines Studiums habe ich, um mehr Trainingseinheiten zu bekommen, mit dem Ringen angefangen. Judo ist eine gute Grundlage, um auch hier erfolgreich zu sein. Ich gewann Medaillen auf deutschen Meisterschaften und kämpfte auch hier in der Hessischen und Württembergischen Auswahl um den Deutschen Mannschaftstitel mit.

Deutsche Meisterin Ü30 im Judo mit Trainer Joachim Fels

Judo ermöglichte mir auch den Einstieg in das Sumo-Ringen. 2017 durfte ich sogar an den World Games, den „Olympischen Spiele“ der nichtolympischen Sportarten, teilnehmen. Sumo ist auch der Grund, warum ich heute Spanisch spreche und Peru besucht habe.

Kampf gegen die Weltmeisterin Ueta Yuka aus Japan

Meine Sportarten haben mich an Orte geführt, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie jemals besuchen würde. Japan, Georgien, die Mongolei. Auch habe ich durch die Sportart Menschen aus allen Teilen Deutschlands und der Welt kennengelernt. Mein Trainer ist dabei eine feste Größe. Er war und ist mit seinem unermüdlichen Einsatz immer eine große Motivation und Unterstützung für mich. Danke, lieber Jochen! Auch meine Familie und Freunde haben mir in vielerlei Hinsicht, z.B. als Fanclub oder als Reisebegleitungen, immer den Rücken gestärkt. Heute bin ich selbst stolze Trägerin des 2. Dan und habe für den BJV und DJB als Referentin einige Maßnahmen unterstützt.

SAMSUNG CSC

Was bleibt mir nun also als Fazit nach über 30 Jahren Judo? Judo und die Judokas haben mich wachsen lassen und tragen einen nicht unerheblichen Teil daran, wer ich heute bin. Ich würde mein Tütü jederzeit wieder gegen einen Judogi eintauschen.

Artikel: Johanna Schumann
Fotos: Joachim Fels